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SEEOcta: Business Process Reengineering (BPR) – Ablauforganisation Teil 1

| | Director Business Unit E-Invoicing/SAP&Web Prozesse, SEEBURGER
SEEOcta: Business Process Reengineering (BPR)

Die Globalisierung der Wirtschaft, verbunden mit immer kürzer werdenden Innovationszyklen, zwingt viele Unternehmen zum Umdenken. Der Einzug moderner Informations- und Kommunikationstechnologien in die Unternehmen erfordert häufig eine grundlegende Umstrukturierung. Denn die Installation einer aufwendigen Software ist erst dann sinnvoll, wenn vorher die kritischen Geschäftsprozesse analysiert, definiert und optimiert werden. Viele Unternehmen verabschieden sich in diesem Zuge sogar von bislang erfolgreichen Denkmustern und gestalten ihre Kernprozesse komplett neu, um den harten globalen Existenzkampf erfolgreich zu bestehen. Innovative und leistungsfähige Informationstechnologie als „Enabler“ für Business Process Reengineering spielt hierbei eine Schlüsselrolle.

Für die Einführung eines neuen IT-Projektes sind effiziente und agile Prozesse ein ausschlaggebender Erfolgsfaktor. Lesen Sie für weitere wertvolle Anregungen unsere SEEOcta-Blogs: Die agile Organisation und Teil 2 zu Business Business Process Reengineering (BPR) – Ablauforganisation.

Die SEEOcta-Blog-Serie beleuchtet alle Bereiche, die bei der Planung von Digitalisierungs- und Integrationsvorhaben in Unternehmen zum Tragen kommen. Diese Impulse bilden eine Grundlage und einen Leitfaden für Ihre Projektplanung und helfen Ihnen sicherzustellen, dass Sie alle Aspekte bei der Einführung eines IT-Projektes berücksichtigen.

Was ist Business Process Reengineering (BPR)?

Unter BPR versteht man kurz gesagt eine prozessorientierte Unternehmenstransformation. Das Konzept wurde 1993 von Michael Hammer und James Champy am Massachusetts Institute of Technology (MIT) vorgestellt und seitdem von Unternehmen in aller Welt angewendet. Im Vordergrund steht dabei die Ausrichtung der Unternehmensorganisation an den Unternehmensprozessen. Darüber hinaus propagiert BPR eine extreme Kundennähe, indem alle Unternehmensprozesse aus Kundensicht gesehen und gestaltet werden.

In den vier Prozessschritten

  • Erneuerung (Renewing)
  • Reviatalisierung (Revitalizing)
  • Einstellungsänderung (Reframing)
  • Restrukturierung (Restructuring)

soll hierbei eine Optimierung der Faktoren Qualität, Zeit, Kosten und Services von mehr als 30 Prozenz erreicht werden. Während wir in diesem Beitrag einen übergeordneten Blick auf die Methode des Business Process Engineering werfen, gehen wir im SEEBURGER Blog „SEEOcta-Ablauforganisation – Business Process Reengineering (BPR) Teil 2“ konkret auf das erfolgreiche Konzept von Champy und Hammer mit seinen Vor- und Nachteilen ein. Zunächst sei soviel gesagt: Der Fokus liegt dabei auf den Prozessen, nicht auf den traditionellen Funktionen innerhalb eines Unternehmens. Heutzutage stellt die funktionale Aufteilung in Abteilungen noch immer die überwiegende Organisationsform dar. Das Wort „Abteilung“ birgt das Problem jedoch bereits in sich: Die einzelnen Organisationseinheiten sind voneinander abgeteilt und eine abteilungsübergreifende Prozessverantwortung ist nicht vorhanden. Aufgrund der beibehaltenen funktionsorientierten Aufbauorganisation gemäß dem Grundsatz „process follows structure“ bleibt das hierarchisch-funktionale Denken und Lenken erhalten und ist deshalb ungeeignet, da keine optimalen Rahmenbedingungen für die Geschäftsprozesse geschaffen werden.

  • Business Process Reengineering fokussiert auf den Prozess, nicht auf die Funktion.

Warum ist Business Process Reengineering wichtig?

Die Aufbauorganisation regelt die Abteilungs- und Stellengliederung sowie die hierarchische Struktur eines Unternehmens, die Ablauforganisation befasst sich hingegen mit der räumlichen und zeitlichen Abstimmung der Arbeitsvorgänge. Beide Gestaltungsperspektiven greifen so tief ineinander, dass eine eigenständige Optimierung gar nicht möglich ist. Besonders die zunehmende Notwendigkeit zur Dezentralisierung im Hinblick auf

  • Markt- und Kundennähe,
  • Umgestaltung der Produktpalette,
  • Konzentration auf die Kernkompetenzen des Unternehmens,
  • Reduktion des Verwaltungsaufwands und
  • Verflachung der Hierarchien

führt in immer kürzeren Zeitabständen zur Verlagerung oder zum Wegfall von Aufgaben und zu neuen Organisationsschnittstellen. Klassische funktionale Organisationsformen, die hochgradig zentralistische und arbeitsteilige Strukturen ausweisen, können dieser geforderten Dynamik nicht mehr gerecht werden.

Ursachen für Ineffizienz in Unternehmen
Abbildung 1: Ursachen für Ineffizienz in Unternehmen

Nachfolgende empirische Erkenntnisse und Aussagen untermauern die Notwendigkeit einer kundenorientierten Prozessoptimierung, wobei hier nicht die absoluten Zahlen, sondern die daraus ableitbaren Trends im Vordergrund stehen sollen:

  • Es ist fünf mal teurer, einen neuen Kunden zu gewinnen, als einen bestehenden zu behalten.
  • Nur maximal 20 Prozent der unzufriedenen Kunden beschweren sich bei Ihnen.
  • Jeder unzufriedene Kunde wird seine Erfahrungen mindestens neun anderen Personen mitteilen.
  • 68 Prozent der unzufriedenen Kunden wandern wegen schlechter Servicequalität ab.

Für den Kunden zählen nicht die internen Abteilungsstrukturen eines Unternehmens. Er möchte, dass seine Erwartungen bestmöglich erfüllt, sein Auftrag oder seine Reklamation pünktlich und in der erwarteten Qualität abgewickelt werden. Je mehr die Organisation am Kunden und seinen Erwartungen ausgerichtet ist, desto besser lassen sich diese erfüllen. Dazu ist in vielen Unternehmen noch immer ein radikales Umdenken, ein 90°-Shift der Organisation, erforderlich.

Business Process Reengineering – ein Perspektivenwechsel mit Fokus auf Prozessen

Bei der reinen Prozessorganisation erfolgt eine Drehung der ursprünglich funktional-organisatorischen Ausrichtung um 90 Grad in eine prozessorientierte Ausrichtung. Hierbei wird die formal beschriebene Hierarchie des Unternehmens nach den organisatorischen Prozessen gegliedert. Durch den Wechsel der Perspektive dominieren bei der Prozessorganisation nicht mehr die Abteilungen die Abläufe, sondern der Fokus liegt auf Vorgangsketten bzw. Prozessen, die auf den Kunden ausgerichtet sind.

Die Auswirkungen eines 90°-Shifts:

  • Flachere Hierarchien – in der Praxis spricht man von einer sogenannte „Ein-Linien-Organisation“.
  • Funktionale und prozessuale Verantwortung sind gleichgestellt.
  • Volle Integration und hohe Autonomie der Geschäftsprozesse.
  • Organisationseinheiten bestehen aus Geschäftsprozessen und ihren Teilprozessen, verfügen über eigene Ressourcen und disponieren diese selbständig.

Business Process Reengineering - der 90°-Shift der Organisation, abgewandelt in Anlehnung an "Ablauforganisation - Geschäftsprozesse" von Roland Stutzmann, VWA Nürnberg, Folie 20

Abbildung 2: Business Process Reengineering – der 90°-Shift der Organisation, abgewandelt in Anlehnung an „Ablauforganisation – Geschäftsprozesse“ von Roland Stutzmann, VWA Nürnberg, Folie 20

Business Process Reengineering: Organisieren nach Funktion, nach Prozess oder ein Hybrid?

In den heutzutage vermehrt anzutreffenden Unternehmensstrukturen bestehen die Organisationseinheiten aus den Geschäftsprozessen und ihren Teilprozessen, welche über eigene Ressourcen verfügen und diese selbständig disponieren. Dabei wird die Funktionsorientierung jedoch dort beibehalten, wo sie sinnvoll ist. Bei dieser Art der Matrixstruktur handelt es sich um eine hybride Struktur, bei der die Prozesse, die zu einem Produkt führen, in autonomen Einheiten liegen und neben den Funktionseinheiten laufen, die ihre fachlichen Leistungen nach Bedarf für die Produktgruppe erbringen.

Der Vorteil dieser hybriden Organisationsstruktur ist, dass diejenigen, die über Fachwissen in einem bestimmten Bereich verfügen, sich nach wie vor in einer entsprechenden Abteilung befinden, wo sie mit Kollegen mit den gleichen Fähigkeiten in Kontakt treten und von ihnen lernen können. Ihre Fähigkeiten und ihr Fachwissen werden dann den verschiedenen Produktabteilungen – den Prozessen – bei Bedarf zur Verfügung gestellt.

Manchmal ähnelt diese Konstellation eher einer funktionalen Organisationsstruktur, bei der die Mitarbeiter in den Fachabteilungen die Ressourcen zuweisen und die Verantwortlichen für die Produktprozesse in eine organisatorische Rolle gedrängt werden. Solche Unternehmen haben das alte Denken noch nicht ganz abgelegt.

Im Idealfall ist die Beziehung jedoch vergleichbar mit einer Kunden-Lieferanten-Beziehung, bei der die Prozessbeteiligten die Rolle der internen Kunden übernehmen. Sie „bestellen“ die Fähigkeiten, die sie benötigen, sei es Marketing, Personalwesen, Beschaffung oder jegliche andere Funktion, aus dedizierten Abteilungen, die diese wiederum im benötigten Umfang liefern.

Matrixorganisation: Die Produktgruppen haben zwar ihre eigenen Ressourcen, um ihr Produkt zu entwickeln, herzustellen und zum Kunden zu bringen, „buchen" sie jedoch gelegentlich Fähigkeiten von speziellen Abteilungen.
Abbildung 3: Matrixorganisation: Die Produktgruppen haben zwar ihre eigenen Ressourcen, um ihr Produkt zu entwickeln, herzustellen und zum Kunden zu bringen, „buchen“ sie jedoch gelegentlich Fähigkeiten von speziellen Abteilungen.

Business Process Reegineering als Wegbereiter für ein neues IT-System

Business Process Reengineering ist eine prozessorientierte Unternehmenstransformation, die den Anforderungen des Kunden gerecht wird. Sie ist auf eine radikale Veränderung der gesamten Organisation ausgerichtet mit dem Ziel, die Faktoren Qualität, Zeit, Kosten und Services um Größenordnungen zu verbessern. Hierfür ist ein kreativer Einsatz der Informationstechnologie von Nutzen, der allen Mitarbeitern ortsunabhängig und dezentral Zugriff auf die notwendigen Informationen erlaubt. Moderne Informations- und Kommunikationstechnologie ermöglichen es, die Geschäftsprozesse besser zu unterstützen, denn Informationssysteme integrieren Daten über Funktionsgrenzen hinweg. Die Informationstechnik schafft somit Potenziale für Integration. Der Einsatz von IT verändert somit Prozesse, Führung, Produkte, zwischenbetriebliche Koordination und Märkte. Aber ein Überstülpen teurer und neuer Soft- und Hardware über alte und ineffiziente Prozesse führt im Regelfall nur zu teuren schlechten Prozessen. Automatisierung allein führt unter Umständen dazu, dass in einer Organisation das Falsche lediglich effizienter gemacht wird. Die Verbesserungspotentiale solcher Bemühungen sind gering. Selbstreflektion allein reicht nicht aus, um neue Prozesse zu definieren. Aus Innensicht eines Unternehmens wird oft versäumt, die Wechselwirkungen zwischen Zulieferern, Produzenten, Distributoren und Kunden für die Neugestaltung mit einzubeziehen. Ein ganzheitlicher Blick auf die Wertschöpfungsprozesse des Unternehmens unter Einbezug aller Beteiligten ist für eine effiziente Zielorganisation erforderlich. Methoden des Business Prozess Reengineerings können dabei helfen, die verkrusteten funktionalen Strukturen aufzubrechen, hin zu agilen Organisationsformen. Lernen Sie im nächsten SEEBURGER Blog „SEEOcta-Ablauforganisation Teil 2“ die Methode der Organisationsänderungen durch Business Process Reengineering genauer kennen.

Dieser Beitrag ist Teil der SEEOcta-Reihe. In der Blog-Kategorie „SEEOcta“ finden Sie alle gesammelten Beiträge dieser Serie rund um die Einführung eines neuen IT-Projektes.

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Rolf Holicki

Ein Beitrag von:

Rolf Holicki, Director Business Unit E-Invoicing, SAP&Web Prozesse, ist verantwortlich für die SAP-/WEB-Applikationen und Digitalisierungsexperte. Er hat mehr als 25 Jahre Erfahrungen in den Bereichen E-Invoicing, SAP, Workflow und Geschäftsprozessautomatisierung. Rolf Holicki ist seit 2005 bei SEEBURGER.