Kano-Modell: Analyse - Teil 3 der SEEBURGER-Reihe
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Wie wertet man das Kano-Modell aus?

| | Director Business Unit E-Invoicing/SAP&Web Prozesse, SEEBURGER
Das Kano-Modell – Analyse und Interpretation

Kano-Serie Teil 3 – Analyse und Interpretation.

Kundenbefragungen nach dem Kano-Modell liefern wertvolle Aussagen zu Präferenzen, die der Kunde im Hinblick auf eine bestimmte Produkt- oder Serviceeigenschaft hat. In der Analyse und Interpretation dieser Aussagen liegt der Schlüssel, um die gewonnenen Ergebnisse in sinnvolle Maßnahmen umsetzen zu können. Lernen Sie die besten Analyse- und Interpretationsmethoden zur Auswertung der Ergebnisse Ihrer Kano-Befragung kennen.

Die Grundbegriffe zum Verständis des Kano-Modells werden in Teil 1 der Kano-Serie behandelt. Im zweiten Teil der Kano-Serie erfahren Sie mehr zur konkreten Anwendung des Kano-Modells und dieser Teil der Kano-Serie geht im Detail auf die Möglichkeiten der Auswertung und Interpretation einer Kano-Befragung ein.

Das Kano-Modell liefert wichtige Hinweise für die Produktentwicklung anhand verschiedener Merkmale, die die Eigenschaften eines Produktes oder Services kategoriesieren. Im ersten Teil unserer Blogserie zum Kano-Modell werden diese genau erläutert. Diese Merkmale erlauben

  • ein besseres Verständnis der Kundenanforderungen und Identifikation von Produkt- und Serviceeigenschaften mit dem größten Einfluss auf die Kundenzufriedenheit,
  • die Priorisierung der Produktanforderungen nach Kundennutzen und
  • die Identifikation und Entwicklung von Begeisterungsmerkmalen, um Differenzierungsmöglichkeiten zu schaffen.

Kano-Modell: Kategorisierung der Produkt- oder Serviceeigenschaften

Wie in unserem  Blogbeitrag zur Anwendung des Kano-Modells bereits geschildert, werden für die Konstruktion des Fragebogens für jede Produkteigenschaft zwei Fragen mit jeweils fünf Antwortmöglichkeiten formuliert (Abbildung 1). Hierbei bezieht sich diese erste Frage auf das Vorhandensein der Produkteigenschaft (funktionale Frage) und die zweite Frage auf das Nicht-Vorhandensein der Eigenschaft (disfunktionale Frage). Als Antworten stehen den Befragten nur folgende fünf Antwortmöglichkeiten zur Verfügung:

  1. Würde mich sehr freuen
  2. Setze ich voraus
  3. Ist mir egal
  4. Nehme ich gerade noch hin
  5. Würde mich stören
Beispiel eines Kano-Fragebogens
Abbildung 1: Aufbau eines Kano-Fragebogens

Anhand dieser Kano-Bewertungstabelle können somit alle Features eines Produktes oder einer Dienstleistung den Anworten der funktionalen-  und dysfunaktionalen Fragestellung zu einer Merkmalsausprägung zugeordnet werden.

Durch die Kombination der beiden Antworten können die Produkteigenschaften wie in nachfolgender Tabelle (Abbildung 2) dargestellt, kategorisiert werden:

Kano-Bewertungstabelle der Produktmerkmale

Abbildung 2: Kano-Bewertungstabelle der Produktmerkmale[1]

Auf Basis einer Häufigkeitstabelle wird in einem nächsten Schritt bestimmt, ob das abgefragte Produktfeature ein Basis-, Leistungs- oder Begeisterungsmerkmal darstellt. Die Kategorie, die am häufigsten gewählt wurde, gibt an, welcher Merkmalart das Feature zugeordnet wurde. Abbildung 3 zeigt die fiktive Häufigkeitsverteilung der Antworten von 200 Befragten zu einem Produktfeature „Feature 1“. Mit 35 % Häufigkeit wird dies als Begeisterungsmerkmal eingestuft.

Beispiel einer Häufigkeitsverteilung eines Produktfeatures
Abbildung 3: Beispiel einer Häufigkeitsverteilung eines Produktfeatures

Kano-Modell: Interpretation der Häufigkeitsverteilung

In der Praxis kann es jedoch vorkommen, dass die Verteilung der Merkmalskategorien ähnlich hoch ist (vgl. Abbildung 4, „Feature 2“)

Beispiel einer Häufigkeitsverteilung von Produktfeatures
Abbildung 4: Beispiel einer Häufigkeitsverteilung von Produktfeatures

Für die genauere Interpretation der Häufigkeitsverteilung werden daher zusätzlich die Kriterien „Kategoriestärke“ und „totale Stärke“ herangezogen. Die Kategoriestärke gibt an, wie eindeutig sich die Kategorisierung gegenüber den anderen Merkmalklassen darstellt. In der Praxis sollte die Kategoriestärke größer als 5 % sein, um ein Produktfeature eindeutig einer Merkmalsklasse zuzuordnen.

Kategoriestärke = Prozentsatz häufigste Antwort – Prozentsatz zweithäufigste Antwort

Die totale Stärke gibt an, inwieweit die Befragten ein Produktfeature als wichtig erachten. Sie sollte in der Regel größer als 50 % sein

Totale Stärke = Prozentsatz A + Prozentsatz O + Prozentsatz M

Im Beispiel 2 (vgl. Abbildung 4) hat das „Feature 1“

  • eine Kategoriestärke von 35 % – 25 % = 10 % und
  • eine totale Stärke von 35 % + 15 % +25 % = 75 %.

Damit kann das „Feature 1“ eindeutig der Kategorie Begeisterungsmerkmal zugeordnet werden. Demgegenüber hat das „Feature 2“

  • eine Kategoriestärke von 19 % – 19 % = 0 %
    (Gleichstand – Differenz ist nicht größer als 5 %) und
  • eine totale Stärke von 18,5 % + 19 % +14,5 % = 52 %.

Die Kategoriestärke zeigt, dass keine eindeutige Kategorisierung existiert und dass „Feature 2“ eine weiterführende Betrachtung benötigt. Die totale Stärke von 52 % bekräftigt gleichzeitig, dass die Befragten das „Feature 2“ als positiv erachten. Somit muss nachfolgend geklärt werden, ob „Feature 2“ ein Begeisterungs-, Leistungs- oder Basis-Merkmal zugeordent werden kann.

Kano-Modell: Gleichgewichts- und Gewichtungsregel

Um für “Feature 2” aus den recht gleich verteilten Antworten eine konkrete Zuordnung zu ermitteln, stehen  zwei weitere Entscheidungsregeln zur Verfügung:

  1. die Gleichgewichtsregel und
  2. die Gewichtungsregel

Bei der Gleichgewichtsregel wird der Vergleich zwischen positiver und negativer Bewertung gezogen. Dabei gelten als positive Bewertung die Kategorien Begeisterungs-, Leistungs- und Basis-Merkmale und als negative Bewertung die Kategorien Unerhebliche-, Rücksweisungs- und Fragliche-Merkmale.

Die Gleichgewichtsregel im Kano-Modell:

Wenn (A + O + M) > (I + R + Q), dann wähle das Maximum von A, O oder M.
Wenn (A + O + M) < (I + R + Q), dann wähle das Maximum von I, R oder Q.

Die Häufigkeitsverteilung in Abbildung 4 ergibt:

A + O + M = 37 + 38 + 29 = 104

und

I + R + Q = 38 + 38 + 20 = 96

Somit  ist (A + O + M) > (I + R + Q), womit die erste Bedingung und damit das Maximum der Kategorien A, O oder M zu wählen ist. Die erste Entscheidungsregel spricht somit auch dafür, dass das „Feature 2“ ein Leistungsmerkmal (O) ist.

Weisen die Merkmale Begeisterung, Leistung und Basis eine gleich hohe Häufigkeitsverteilung, wie die Häufigkeitsverteilung des „Feature 3“  in Abbildung 5 zeigt, führt die Gleichgewichtsregel zu keinem eindeutigen Ergebnis.

Beispiel einer Häufigkeitsverteilung von Produktfeatures
Abbildung 5: Beispiel einer Häufigkeitsverteilung von Produktfeatures

Bei Gleichstand oder Häufigkeitsunterschieden von circa 1 % kommt grundsätzlich eine weitere Entscheidungsregel zum Tragen – die Gewichtungsregel.

Die Gewichtungsregel im Kano-Modell:

Basis-Merkmal (M) > Leistungs-Merkmal (O) > Begeisterungs-Merkmal (A)

Die Gewichtungsregel drückt nichts Anderes aus, als die Handlungsmaxime:

  • Basisfaktoren müssen vorhanden sein, um den Erwartungen der Kunden zu entsprechen.
  • Leistungsfaktoren müssen vorhanden sein, um den Erwartungen des Kunden zu entsprechen und sich zu vergleichbaren Wettbewerbsprodukten zu positionieren.
  • Begeisterungsfaktoren sollen das Angebotsportfolio positiv verstärken und der positiven Differenzierung zum Wettbewerb dienen.

Beispiel 3 (Abbildung 5) zeigt, dass in diesem Fall das „Feature 3“ dem „Basismerkmal (M)“ zugeordnet wird.

Kano-Modell: Zufriedenheits- und Unzufriedenheitskoeffizient

Zusätzlich lässt sich noch das Ausmaß der Zufriedenheit und Unzufriedenheit der Kunden (EN = Customer Satisfaction, CS) ermitteln. Hierfür stehen die sogenannten CS+– und CS-Koeffizienten zur Verfügung[2]. Diese werden wie folgt eingesetzt:

Kano-Modell Berechnung des Zufriedenheits- und Unzufriedenheitskoeffizienten
Abbildung 6: Kano-Modell Berechnung des Zufriedenheits- und Unzufriedenheitskoeffizienten

Der positive CS+-Koeffizient reicht von 0 bis 1; je stärker der Wert Richtung 1 geht, desto höher ist der Einfluss auf die Zufriedenheit. Ein positiver CS+-Koeffizient nahe Null sagt aus, dass ein sehr geringer Einfluss auf die Zufriedenheit vorliegt.

Gleichzeitig ist aber auch der negative CS-Koeffizient zu berücksichtigen. Liegt dieser nahe -1, ist der Einfluss auf die Unzufriedenheit besonders stark, falls die analysierte Produkteigenschaft nicht erfüllt ist. Ein Wert nahe 0 bedeutet, dass diese Feature kaum Unzufriedenheit erzeugt, falls sie nicht erfüllt wird.

Der CS-Koeffizient der Unzufriedenheitsstiftung wird mit einem negativen Vorzeichen besetzt, um seinen negativen Einfluss auf die Zufriedenheit – falls diese Produkteigenschaft nicht erfüllt wird – klar hervorzuheben.

Die Zufriedenheits- und Unzufriedenheitskoeffizienten liefern gute Anhaltspunkt für die Priorisierung der einzelnen Features.

Eine grafische Darstellung der beiden Koeffizienten CS+ und CS führt letzendlich zum Kano-Diagramm:

Zufriedenheits- und Unzufriedenheitskoeffizient im Kano-Modell
Abbildung 7: Zufriedenheits- und Unzufriedenheitskoeffizient im Kano-Modell

Kano-Modell: Signifikanz der Kano-Ergebnisse

Für die Klärung der statistischen Signifikanz der Zuordnung zu einer Merkmalskategorie kann der Fong-Test herangezogen werden[3]. Beim Fong-Test gilt eine Zuordnung dann als signifikant, wenn die Aussage der folgenden Ungleichung „nicht wahr“ ist.

Hierbei bezeichnet

  • a die absolute Häufigkeit der Merkmalskategorie mit den meisten Nennungen,
  • b die absolute Häufigkeit innerhalb der Kategorie mit den zweithöchsten Nennungen und
  • n ist die Summe der Bewertungen oder Anzahl der Probanden, die in der Auswertung berücksichtigt werden.

Wie aus der Ungleichung ersichtlich ist, hängt das Ergebnis des Fong-Tests vor allem davon ab, wie groß der Unterschied zwischen der Zuordnung zur ersten und der Zuordnung zur zweiten Kategorie ist.

Das nachfolgende Beispiel zeigt, dass die Zuordnung des „Features 1“ in der Merkmalkategorie „Begeisterung“ als statistisch Signifikat einzustufen ist. Hingegen kann das „Feature 2“ nicht statistisch Signifikat in der Merkmalskategorie „Leistung“ eingestuft werden.

Exemplarische Anwendung des Fong-Tests im Kano-Modell
Abbildung 8: Exemplarische Anwendung des Fong-Tests im Kano-Modell

Fazit: Mit dem Kano-Modell die Kundenanforderungen verstehen und gezielte Strategien entwickeln

Das Kano-Modell ermöglicht ein besseres Verständnis der Kundenanforderungen und wie diese die Kundenzufriedenheit beeinflussen. Mit dieser Erkenntnis lassen sich marktgerechte Priorisierung der Entwicklung vornehmen und unnötige Entwicklungen frühzeitig verhindern. Dies spart Zeit und Geld und schont die innerbetrieblichen Ressourcen. Nutzen Sie das Kano-Modell, um sich auf Dinge zu fokussieren, die den größten Beitrag zu einer höheren Nutzer- und Kundenzufriedenheit leisten und so langfristig den Unternehmenserfolg zu sichern.


[1] Modifiziert übernommen aus: Berger, C., Blauth, R., Boger, D., Bolster, C., Burchill, G., DuMouchel, W., Pouliot, F., Richter, R., Rubinoff, A., Shen, D., Timko, M., & Walden, D. (1993). Kano’s Methods for Understanding Customer-defined Quality. Center for Quality of Management Journal, 2(4), S. 3-35

[2] https://foldingburritos.com/kano-model/

[3] Fong, D. (1996). Using the self-stated importance questionnaire to interpret Kano questionnaire results.The Center for Quality Management Journal, 5, 21 – 24.

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Rolf Holicki

Ein Beitrag von:

Rolf Holicki, Director Business Unit E-Invoicing, SAP&Web Prozesse, ist verantwortlich für die SAP-/WEB-Applikationen und Digitalisierungsexperte. Er hat mehr als 25 Jahre Erfahrungen in den Bereichen E-Invoicing, SAP, Workflow und Geschäftsprozessautomatisierung. Rolf Holicki ist seit 2005 bei SEEBURGER.