ViDA – die Mehrwertsteuerinitiative der EU-Kommission
E-Invoicing

ViDA „VAT in the Digital Age“: Modernisierung des Mehrwertsteuersystems in der EU

| | Produktmanager SAP und Global E-Invoicing, SEEBURGER
Mit ViDA soll das gesamte Mehrwertsteuersystem der EU modernisiert werden

Das Mehrwertsteuersystem innerhalb der EU ist komplex, uneinheitlich und ineffizient. Doch umständlichen Verwaltungsverfahren, schwer zu überschauenden Steuererklärungspflichten und nicht zuletzt dem Steuerbetrug soll durch Digitalisierung endlich das Handwerk gelegt werden. Die EU-Kommission hat die Initiative ViDA „VAT in the Digital Age“ ins Leben gerufen und einen Aktionsplan für eine faire Besteuerung aufgestellt. Was es damit auf sich hat und in welchem Zeitrahmen die Modernisierung des europäischen Mehrwertsteuersystems umgesetzt werden soll, erläutert dieser Beitrag.

Was ist ViDA oder „VAT in the Digital Age“?

ViDA steht für „VAT in the Digital Age“ (VAT = Value Added Tax), was zu Deutsch „Mehrwertsteuer im digitalen Zeitalter“ bedeutet. Es handelt sich hierbei um eine Initiative der EU-Kommission zur Modernisierung des europäischen Mehrwertsteuersystems. Am 8. Dezember 2022 stellte die Europäische Kommission den lang erwarteten Richtlinien-Entwurf COM (2022)701 zu „VAT in the Digital Age“ (ViDA) sowie einen Vorschlag für eine korrespondierende EU-Verordnung, COM (2022)703, vor. Meldepflichtige Daten, wie beispielsweise im Rahmen von innergemeinschaftlichen Lieferungen, sollen so schneller und transaktionsgenau übermittelt und überprüft werden können. Die Strukturierung und Standardisierung der Informationen, die von den Steuerpflichtigen zu übermitteln sind, soll nahezu in Echtzeit erfolgen und insbesondere der schnelleren Aufdeckung von Mehrwertsteuerbetrugsfällen dienen.

EU-Bürger, Verbände und Dienstleister hatten bis zum 4. April 2023 Gelegenheit, bei der Europäischen Kommission Rückmeldungen und Stellungnahmen zu diesem angenommenen Rechtsakt einzureichen. Anschließend wurden alle eingegangenen Rückmeldungen von der Europäischen Kommission zusammengefasst und dem Europäischen Parlament sowie dem Europäischen Rat vorgelegt, um sie in die legislative Debatte einzubringen. Die eingereichten Rückmeldungen sind auf der offiziellen Website der Europäischen Union veröffentlicht.

Der Aktionsplan der EU-Kommission für eine faire und einfache Besteuerung unterstreicht die Notwendigkeit zu prüfen, wie Steuerbehörden Technologien zur Bekämpfung von Steuerbetrug und zum Nutzen von Unternehmen einsetzen können und ob die derzeitigen Mehrwertsteuervorschriften an die Geschäftstätigkeit im digitalen Zeitalter angepasst sind. Bereits 2022 wurde im Aktionsplan ein Legislativvorschlag zur „Mehrwertsteuer im digitalen Zeitalter“ (VAT in the Digital Age – ViDA) angekündigt, der Folgendes beinhalten soll:

  • Mehrwertsteuermeldepflichten und elektronische Rechnungsstellung
  • mehrwertsteuerliche Behandlung der Plattformwirtschaft
  • einmalige Mehrwertsteuerregistrierung in der EU

 Welche Ziele verfolgt die ViDA-Initiative?

Ein Hauptziel des digitalen Reportings ist es, die bisherigen zusammenfassenden Meldungen zu ersetzen. Der Anwendungsbereich des digitalen Reporting erstreckt sich daher grundsätzlich auf die Fälle, für die bislang eine zusammenfassende Meldung eingereicht werden musste (vgl. Art. 263 MwStSystRL).

Ein weiteres Hauptziel der ViDA-Initiative ist die Modernisierung des europäischen Mehrwertsteuersystems mit den folgenden Teilzielen:

  • Sicherstellung eines effizienten und gerechten Mehrwertsteuersystems für die digitale Wirtschaft.
  • Beseitigung umständlicher Verwaltungsverfahren und Straffung von Prozessen bei grenzüberschreitenden Geschäften. Das neue Mehrwertsteuersystem stellt sicher, dass die Behörden der Mitgliedstaaten nahezu in Echtzeit umfassend über Transaktionen informiert werden. Fälle von Mehrwertsteuerbetrug können, insbesondere innerhalb der EU-Grenzen, sofort angegangen werden.
  • Gewährleistung der reibungslosen Funktionsweise des Binnenmarktes.
  • Vereinfachung und Anpassung der Mehrwertsteuervorschriften an die neuen Gegebenheiten des digitalen Marktes, um die Einhaltung der Steuervorschriften zu erleichtern und mehr Rechtssicherheit zu schaffen.
  • Optimierung der Steuererklärungspflichten durch Digitalisierung.

Unternehmen, die mit Verbrauchern in einem anderen Mitgliedstaat Geschäfte machen möchten, müssen sich nur noch einmal EU-weit für Mehrwertsteuerzwecke registrieren und können ihre Mehrwertsteuerpflichten in einer Sprache über ein einziges Online-Portal erfüllen.

Dem ViDA-Bericht zufolge ermöglicht das neue System Einsparungen von schätzungsweise 4,3 Milliarden Euro an Verwaltungskosten durch die Einhaltung neuer Steuervorschriften. Die EU-Kommission schätzt außerdem, dass allein bei den Postzustellungen zukünftig 1,9 Milliarden Euro weniger ausgegeben werden müssen.

 Aktueller Zeitplan für die Umsetzung von ViDA

Abbildung 1 zeigt den voraussichtlichen zeitlichen Ablauf für die Umsetzung der Richtlinie COM (2022)701 zu „VAT in the Digital Age“ (ViDA).

Abbildung 1: Zeitplan zur Umsetzung der Richtlinie COM (2022)701 zu „VAT in the Digital Age“ (ViDA)
Abbildung 1: Zeitplan zur Umsetzung der Richtlinie COM (2022)701 zu „VAT in the Digital Age“ (ViDA)

Die Fristen für die Umsetzung von ViDA:

  1. Bis zum 30. Mai 2023 ist eine Aussprache zum Dossier im ECON Ausschuss und eine Vorlage des Berichtsentwurfs geplant.
  2. Bis zum 14. Juni 2023 besteht die Möglichkeit für Änderungsanträge.
  3. Die eingereichten Änderungsanträge kommen am 18. Juli 2023 zur Aussprache.
  4. Am 24. Oktober 2023 ist die Abstimmung im ECON-Ausschuss

Der aktuelle Zeitplan ist sehr ambitioniert, insbesondere vor dem Hintergrund der folgenden EU-Interna:

  • Der EU-Rat darf keinen Beschluss ohne die Stellungnahme des EU-Parlaments verabschieden. Das bedeutet, dass die Beratungen im EU-Rat und EU-Parlament parallel ablaufen werden. Dies kann die Beschlussfassung verzögern und es ist nicht auszuschließen, dass sich das Projekt „ViDA“ um ein weiteres Jahr verzögert.
  • Für Mai 2024 sind neue EU-Wahlen geplant. Es kann deshalb zu weiteren Verzögerungen von bis zu einem Jahr kommen, bis das neu gewählte EU-Parlament seine Arbeit wieder richtig aufgenommen hat. Der Zeitplan ist also sehr eng. Es ist daher zu erwarten, dass das Bundesministerium für Finanzen (BMF) nach dem 4. April 2023 (Ende Eingang der Stellungnahmen) einen neuen Zeitplan veröffentlichen wird.

Empfehlung: Die Fristen für die Umsetzung von ViDA sollten nochmals überdacht werden

Vor diesem Hintergrund wird vor einer übereilten Umsetzung der Richtlinie in den nächsten Monaten gewarnt und eine zeitliche Streckung des Umsetzungsplans gefordert. Die EU-Kommission wurde u. a. von Wirtschaftsverbänden, zertifizierten Servicedienstleistern und EU-Bürgern aufgefordert, eine verbindliche Vorlaufzeit von zwölf Monaten für die Durchsetzung der nationalen Mandate einzuführen, um der aktuellen Forderung der Mitgliedstaaten nach nationalen Ausnahmeregelungen entgegenzuwirken.

Des Weiteren sollten die Rechnungstellungsfristen bzw. Übertragungspflichten überdacht werden. Die Zweitagesfristen für die Rechnungserstellung und -übermittlung erscheinen unangemessen kurz. Das gilt insbesondere, wenn keine leistungsstarken Systeme bei der Automatisierung unterstützen. Damit werden vor allem Kleinstunternehmen mit zusätzlicher Bürokratie belastet und könnten vor Schwierigkeiten beim Umgang mit Sondersituationen, wie beispielsweise Krankheitsfällen, stehen.

Gleiches gilt auch für Eingangsrechnungen. Hier stellt sich der Meldeprozess als noch schwieriger dar, weil es in der Regel nicht möglich ist, innerhalb von zwei Tagen eine Rechnungseingangsprüfung durchzuführen. Sollte dies durch die EU so erzwungen werden, wären daher vorerst pauschal alle Eingangsrechnungen vorbehaltlich einer späteren Rechnungskorrektur zu melden.

Besonders kritisch wird es, sollte der Rechnungsempfänger ebenfalls zur Meldung nach zwei Tagen verpflichtet werden, selbst wenn noch keine Rechnung erstellt wurde. Bisher fand dieser Prozess am Jahresende statt (Rückstellung für erhaltene aber nicht abgerechnete Leistungen).

In Bezug auf die Meldepflichten für Rechnungssteller und -empfänger kann Frankreich als positives Beispiel dienen. Hier ist die Meldung von ausländischen Eingangsrechnungen in einem Rhythmus von zehn Tagen vorgesehen. Dabei wird die Meldung zehn Tage nach Ende des jeweiligen Zeitfensters fällig. Daraus ergibt sich eine effektive Meldefrist von elf bis zwanzig Tagen nach Empfang der Rechnung.

SEEBURGER wird zeitnah über den weiteren ViDA-Verlauf und die aktuelle Gesetzgebung informieren.

Wie wird sich die ViDA-Initiative mittel- und langfristig auswirken?

Die ViDA-Initiative wird die Automatisierung des geschäftlichen und administrativen Datenaustauschs in Deutschland bzw. der EU deutlich voranbringen. Die durchgängige Digitalisierung von Daten in Lieferketten wird die wirtschaftliche Effizienz und Souveränität verbessern, Arbeitsplätze schaffen und die Verbraucherfreundlichkeit in der EU steigern. Und auch die elektronische Rechnungsstellung (E-Invoicing) sollte für alle Betroffenen zur Regel werden und nicht die Ausnahme bleiben. Damit dies auch geschieht, sollte die EU eine entsprechende parallele politische Initiative auf höchster Ebene priorisieren. Nur dann wird es möglich sein, die Konzepte E-Invoicing und E-Reporting entsprechend auszubauen. Beide Konzepte müssen in der Mehrwertsteuerrichtlinie verankert werden, verbunden mit der Einführung eines 5-Corner-Netzwerkmodells. Dieses ist bereits im Expertenpapier zum dezentralen CTC (Continuous Transaction Control)– und Exchange-Modell dargelegt und bedeutet:

  • den nahtlosen automatisierten Transaktionsaustausch basierend auf bewährten Konzepten aus dem öffentlichen Beschaffungswesen (Peppol-Methodik). Dies ermöglicht den nahtlosen Austausch von Verkaufs- und Einkaufsdaten, basierend auf offenen Standards für Business-to-Business (B2B) sowie zwischen Unternehmen und Behörden (Business-to-Government, B2G).
  • stabile Datenqualität, Vertraulichkeit und hochmoderne Geschäftsprozesse, garantiert durch zertifizierte Dienstleister (Provider), die sich in einem dynamischen Markt den Wettbewerb teilen. Hierdurch wird kontinuierliche Innovation und datengesteuerte wirtschaftliche Effizienz in einer dezentralisierten fehlerfreien Umgebung sichergestellt.
  • garantiert authentische, überprüfbare Transaktionsquelldaten (Mehrwertsteuerdaten) nach gesetzlichen Compliance-Richtlinien. Diese werden innerhalb von zwei Tagen mit Steuer- oder anderen Behörden geteilt, die beispielsweise für Strafverfolgungszwecke eingesetzt werden.
  • gleiche Wettbewerbsbedingungen dank des zugrundeliegenden 5-Corner-Modells, wodurch kleinere Unternehmen und große Unternehmen gleichermaßen von den Vorteilen einer durchgängig automatisierten Verarbeitung von Verkaufs- und Einkaufsdaten profitieren können.

Neben der Angleichung an den europäischen Standard für die elektronische Rechnungsstellung als Mindestvoraussetzung für die Interoperabilität im 5-Corner-Netzwerkmodell wird empfohlen, ViDA sowohl für den Austausch von Rechnungen zwischen Steuerzahlern als auch zwischen Steuerzahlern und Steuerverwaltung einzusetzen.

Die nachfolgenden Beispiele veranschaulichen den Ablauf der Meldung von Umsatzsteuerdaten und den Austausch von E-Rechnungen innerhalb der EU-Staaten und global.

Abbildung 2: Beispiele Continuous Transaction Control (CTC)-Modelle für inländische Transaktionen
Abbildung 2: Beispiele Continuous Transaction Control (CTC)-Modelle für inländische Transaktionen

Provider und Verbände setzen auf „Interoperabilität“ für den vollständigen Austausch digitaler Meldedaten, als das zukünftige Verfahren.

Abbildung 3: Geforderte und bevorzugte Übertragungsoptionen
Abbildung 3: Geforderte und bevorzugte Übertragungsoptionen

So kann SEEBURGER bei der Umsetzung helfen

Aktuell sieht es so aus, als ob für grenzüberschreitende und nationale Transaktionen zwei verschiedene Meldesysteme verwendet werden könnten, aber dies dürfte für die deutsche Wirtschaft kaum eine gangbare Option sein. Die drohende „technische Doppelanbindung“ bedeutet bei einem nicht einheitlichen Ansatz für viele Unternehmen und Betriebe einen enormen Zusatzaufwand.

SEEBURGER kann Unternehmen selbstverständlich bei der Anbindung und Übertragung der digitalen Daten an beide Meldesysteme unterstützen. Mit unseren globalen E-Invoicing-Lösungen ermöglichen wir auch Unternehmen mit weniger technischem Know-how und geringerem Belegaufkommen die Teilnahme am verpflichtenden elektronischen Rechnungsaustausch. Mit dem SEEBURGER Peppol Access Point Cloud Service bieten wir zudem eine schnelle und einfache Möglichkeit, Dokumente mit dem Peppol-Netzwerk auszutauschen. Zudem unterstützen wir aktiv in die Entwicklung eines nationalen Meldesystems nach den Vorgaben der ViDA-Initiative.

Webcast-On-Demand

Lernen Sie in unserem aktuellen Webcast die neuen E-Invoicing-Anforderungen in 2023 kennen und informieren Sie sich über die SEEBURGER Global E-Invoicing Services in der Cloud.

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Andreas Killinger

Ein Beitrag von:

Andreas Killinger ist seit 2014 als Produktmanager bei SEEBURGER für Software-Applikationen und -Services für den elektronischen Geschäftsdatenaustausch zuständig. Seine Schwerpunkte liegen auf Lösungen in SAP sowie der elektronischen Rechnung (E-Invoicing) für international agierende Kunden. Nach seiner Ausbildung als Industriemechaniker und seinem Studium der Rechts- und Verwaltungswissenschaften absolvierte er Berufsstationen im öffentlichen Dienst und war von 1999 bis 2013 als SAP Senior Consultant und SAP-Projektleiter für IBM in internationalen SAP Projekten tätig.