Warum ein iPaaS Vendor Lock-in seine Vorteile hat
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iPaaS: Warum Sie keine Angst vor einem Vendor Lock-in haben sollten

| | Chief Cloud Officer, SEEBURGER
Keine Angst vor dem Vendor Lock-in

Der Begriff Vendor Lock-in ist oft negativ besetzt – iPaaS bildet da keine Ausnahme. Ungeachtet der potenziellen Nachteile werden in der Diskussion um ein iPaaS Vendor Lock-in jedoch häufig einige wichtige Punkte übersehen. So kann eine Integrationsstrategie, die von Anfang an auf eine langfristige Zusammenarbeit mit einem iPaaS-Anbieter abzielt, äußerst lohnend sein.

iPaaS-Anbieter & Vendor Lock-ins: Die öffentliche Diskussion ist oft zu undifferenziert

Die öffentliche Diskussion um Vendor-Lock-ins im Bereich Software und IT im Allgemeinen und iPaaS im Besonderen thematisiert vor allem Versuche der entsprechenden Anbieter, ihre Kunden ökonomisch, vertraglich oder technologisch von sich abhängig zu machen.

Es wird argumentiert, dass Kunden, die sich für einzelne Dienstleistungen eines iPaaS-Anbieters entschieden hätten, weitere Dienstleistungen zu einem Preisnachlass angeboten würden, oft innerhalb einer Suite von iPaaS-Services. Dies würde sie zunehmend an den iPaaS-Anbieter binden – vertraglich oder durch proprietäre Lösungen und Formate. Ein späterer Wechsel zu anderen iPaaS-Anbietern würde so erschwert oder gar unmöglich gemacht.

Dass ein Vendor Lock-in durch einen iPaaS-Anbieter unter Umständen nachteilig sein kann, soll in diesem Beitrag nicht in Frage gestellt werden. Wer sich in der Diskussion jedoch zu stark auf diese negativen Aspekte fokussiert, verkennt, dass ein Vendor Lock-in auch Vorteile haben kann. Zudem sind die von der Fachwelt vorgeschlagenen Alternativen zur Vermeidung eines Vendor Lock-ins oft nur schwer zu realisieren.

Grundsätzlich ist anzumerken, dass sich eine gewisse Abhängigkeit vom iPaaS-Anbieter oft nicht vermeiden lässt – zumindest nicht mit vertretbarem Aufwand und Kosten.

Diese Abhängigkeit vom iPaaS-Anbieter steigt in der Regel mit dem Ausmaß und der Komplexität der iPaaS-Dienstleistungen, die ein Unternehmen nutzt. Dies geschieht unabhängig davon, ob ein iPaaS-Anbieter bewusst versucht, seine Kunden an sich zu binden oder nicht. Der Grund für die steigende Abhängigkeit sind die zahlreichen Verflechtungen mit anderen Softwarelösungen und Prozessen im Unternehmen, die direkt oder indirekt entstehen.

Open-Source-Software: Vendor Lock-in trotz fehlender direkter Verflechtungen

Ein gutes Beispiel dafür, wie es zu Vendor Lock-ins auf der Ebene von Software und Prozessen durch Verflechtungen kommen kann, liefert der Einsatz von Open-Source-Software (der Nutzen von Open-Source-Software selbst soll hier nicht hinterfragt werden). Der Einsatz von Open-Source-Software wird oft empfohlen, um ein Vendor Lock-in durch kommerzielle Softwareanbieter zu vermeiden. Die Argumente klingen auf den ersten Blick schlüssig: Open-Source-Software ist in der Regel frei und kostenlos, und es gibt keine direkten wirtschaftlichen, proprietären oder vertraglichen Bindungen. Es steht also kein kommerzieller Anbieter dahinter, der Kunden von seinen Produkten und Dienstleistungen abhängig machen könnte.

Viele Unternehmen, vor allem solche, die schon länger komplexere Open-Source-Lösungen einsetzen, sind jedoch überrascht, dass der Wechsel zu einer anderen Software oder einem anderen Software-System später dennoch mit größeren Schwierigkeiten verbunden ist. Ein Grund liegt darin, dass, je komplexer eine Softwarelösung ist, desto mehr enge Verbindungen entstehen: zwischen der Open-Source-Software und anderen Softwarelösungen und Prozessen im Unternehmen sowie dessen Ökosystem. Diese Verbindungen führen zu einer zunehmenden Abhängigkeit.

Ähnlich wie beim Beispiel der Open-Source-Software erhöht sich bei iPaaS-Lösungen zwangläufig die Abhängigkeit vom iPaaS-Anbieter aufgrund der engen Verflechtung der Integrationsprozesse, Mappings und Konfigurationen mit und zwischen den unternehmenseigenen Softwarelösungen und dem Ökosystem. Das gilt besonders dann, wenn ein Unternehmen eine Vielzahl anspruchsvoller Integrationsszenarien betreibt. Unter Umständen kann diese Abhängigkeit gravierender sein, als die Abhängigkeit, die durch vertragliche oder proprietäre Bindungen entsteht.

iPaaS-Anbieter: Ökonomische Anreize wirken dem Vendor Lock-in entgegen

Ein anderer Punkt, der oft übersehen wird: Dem Bestreben jedes einzelnen iPaaS-Anbieters, einen Vendor Lock-in zu erreichen, sind in der Praxis häufig Grenzen gesetzt. In der Regel haben iPaaS-Anbieter ein grundsätzliches wirtschaftliches Interesse daran, potenziellen Kunden den Wechsel von den Integrationsangeboten der konkurrierenden iPaaS-Anbieter zu den eigenen Dienstleistungen so einfach wie möglich zu machen. Das bedeutet, dass sie die Angebotsentwicklung der Mitbewerber ständig beobachten und an Lösungen arbeiten, die einen möglichst reibungslosen Wechsel ermöglichen. Diese Tendenz wiederum wirkt dem möglichen Bestreben der iPaaS-Anbieter nach einem Vendor Lock-in entgegen.

Vendor-Lock-in: Viele Lösungsansätze sind schwer praktikabel

Dazu kommt, dass viele Lösungen, die in fachspezifischen Diskussionen und Veröffentlichungen präsentiert werden, um einem Vendor-Lock-in zu entgehen, schwer umsetzbar sind. Die folgenden Alternativen werden unter anderem ins Spiel gebracht:

  1. Den iPaaS-Anbieter häufiger wechseln.
  2. Um das Risiko für einen Vendor Lock-in zu minimieren, den Integrationsbedarf des Unternehmens durch den Einbezug von zwei oder mehreren iPaaS-Anbietern decken (die sich in ihren Dienstleistungen möglichst weit überschneiden).
  3. Einen Back-up iPaaS-Anbieter dauerhaft vorhalten, auf den man im Falle eines drohenden Vendor Lock-ins ausweichen kann.

Bei der Diskussion dieser Vorschläge wird jedoch selten und wenn, dann nur oberflächlich auf den Aufwand und die Kosten eingegangen, die damit verbunden sind, diese Lösungen in der Praxis umzusetzen. Mit der steigenden Vielschichtigkeit einer Lösung stößt die Realisierbarkeit dieser Ratschläge schnell an ihre Grenzen. Es wird klar, dass die Mehrheit der vorgeschlagenen Abhilfemaßnahmen, um einem Vendor Lock-in zu entgehen, sich ökonomisch eher im Falle von weitgehend standardisierten Lösungen eignet: beispielsweise bei der Wahl eines Internet-Providers.

Umgang mit einem iPaaS Vendor Lock-in: die bessere Alternative

Vor diesem Hintergrund gibt es einen alternativen Ansatz, der die Nachteile eines Vendor Lock-ins vermeiden oder zumindest stark abmildern kann. Dabei geht es weniger darum, einen möglichen Vendor Lock-in mit allen Mitteln zu verhindern, sondern vielmehr darum, einen iPaaS-Anbieter auszuwählen, der sich als langfristiger Integrationspartner eignet. Dazu sollte das Unternehmen den eigenen Bedarf an Integrationsleistungen möglichst realistisch einschätzen und einen iPaaS-Anbieter auswählen, der diesen Bedarf weitgehend decken kann. Unternehmen, die diese Strategie verfolgen möchten, sollten daher relativ viel Zeit und Energie in den Such- und Auswahlprozess investieren.

Jeder Wechsel des iPaaS-Anbieters ist mit größeren Umstellungs- und Änderungsaufwänden und teilweise mit längeren Betriebsunterbrechungen verbunden. Mit einer langfristigen Beziehung zu einem einzigen Anbieter erhalten Sie mehr Planungssicherheit und sparen Kosten.

Wenn es darum geht, einen iPaaS-Anbieter zu wählen, der die Integrationsanforderungen des Unternehmens langfristig erfüllen kann, bieten vor allem größere mittelständische iPaaS-Anbieter eine Reihe von Vorteilen:

  • Erstens ist das Risiko, dass ein mittelständischer iPaaS-Anbieter von einem Großkonzern aufgekauft wird, deutlich geringer als bei kleinen iPaaS-Anbietern und iPaaS-Start-ups.
  • Zweitens sind mittelständische iPaaS-Anbieter meist schon seit vielen Jahren im Geschäft und aufgrund ihrer Größe finanziell solider aufgestellt als neue oder kleine iPaaS-Anbieter. Dies ist eine wichtige Grundvoraussetzung für die Zuverlässigkeit des iPaaS-Anbieters und die langjährige Planungssicherheit.
  • Drittens ist das Leistungsspektrum von mittelständischen iPaaS-Anbietern breiter als das von kleinen iPaaS-Anbietern.
  • Viertens bieten größere mittelständische iPaaS-Anbieter auch Vorteile gegenüber Großkonzernen, die iPaaS-Services anbieten: Die Support- und Beratungsleistungen von mittelständischen iPaaS-Anbietern sind oft individueller und nicht so sehr auf einen hohen Standardisierungsgrad und große Volumen ausgerichtet. Oft haben mittelständische iPaaS-Anbieter auch besondere Stärken, wie zum Beispiel tiefe Erfahrung in der Integration von Bestandsystemen, was große internationale iPaaS-Anbieter so nicht bieten können.
  • Fünftens haben Unternehmen, die sich für einen mittelständischen iPaaS-Anbieter statt für einen großen internationalen entscheiden, oft ein höheres Verhandlungspotenzial und mehr Gestaltungsspielraum.

Fazit

Gerade, wenn es um iPaaS-Lösungen geht, ist also die Angst vor einem Vendor Lock-in nicht nur unbegründet, es hat sogar eine Reihe von Vorteilen, sich bei diesem komplexen Thema auf einen erfahrenen Anbieter zu verlassen, der sich als langfristiger Integrationspartner eignet.

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Dr. Martin Kuntz

Ein Beitrag von:

Dr. Martin Kuntz arbeitet seit 2000 für SEEBURGER, seit 2015 ist er Mitglied des Vorstands. Seine Schwerpunkte liegen in den Bereichen Cloud, Business Applikationen und der Digitalisierung fachlicher und technischer Geschäftsprozesse. Er verfügt über Abschlüsse in Physik und BWL. Zuvor arbeitete er mehrere Jahre im Bereich Simulation für das „Karlsruher Institut für Technologie“ und für Airbus-Tochter „Airbus Defence and Space“.