B2B-E-Commerce: Studie zu Payment und Finanzprozessen
E-Invoicing

Payment- und Finanzprozesse im B2B-E-Commerce – nur begrenzt digital!?

| | Director ibi research, Universität Regensburg GmbH
Wie digital sind die Payment- und Finanzprozesse im B2B-E-Commerce?

Die Bedeutung des Großhandels ist enorm. Im Jahr 2019 betrugen seine Leistungen rund 1,27 Billionen Euro – bei einem Bruttoinlandsprodukt von 3,45 Billionen Euro. Der Großhandel stellt Lieferketten sicher und bildet damit das Rückgrat der deutschen Wirtschaft. Wie in vielen anderen Bereichen, ist auch hier der Digitalisierungsdruck hoch. Immer mehr Unternehmen digitalisieren ihre Prozesse, und zwar sowohl die kundenseitigen, als auch die internen Prozesse.

Schwerpunktthema einer aktuellen Studie[1] (hier kostenfrei zum Download verfügbar) waren daher die internen Prozesse im Großhandel und bei B2B-Unternehmen, insbesondere die Abläufe beim Bezahlen und die vor- und nachgelagerten Prozesse wie Risiko- und Forderungsmanagement. Dazu wurden zwischen November 2020 und Januar 2121 insgesamt 172 Experten aus den Bereichen Großhandel und Hersteller mittels einer online-gestützten Umfrage zu ihren Erfahrungen und Einschätzungen befragt.

Vertriebskanäle im B2B-E-Commerce: Online-Shops liegen vorne

Der beliebteste Verkaufskanal der befragten Unternehmen ist der eigene Online-Shop (vgl. Abbildung 1). Mit 56 Prozent liegt er deutlich vor dem Telefonverkauf, schriftlichen Bestellungen und dem Außendienst (alle 47 Prozent). Im Vergleich zur Studie aus dem Jahr 2020 hat die Nutzung eines eigenen Online-Shops um fünf Prozentpunkte zugelegt. Die schriftlichen Bestellungen sind im Jahresvergleich um 10 Prozentpunkte zurückgegangen.

B2B-Vertriebskanäle
Abbildung 1: B2B-Vertriebskanäle

Jedoch ist die Nutzung der einzelnen Vertriebskanäle stark abhängig von der Unternehmensgröße. Während der Außendienst bei kleinen Unternehmen nur von 32 Prozent genutzt wird, sind es bei großen Unternehmen schon 69 Prozent. Beim Online-Shop ist das Verhältnis umgekehrt: Kleine Händler setzen zu 62 Prozent diesen Kanal ein, während große Akteure nur zu 55 Prozent auf einen eigenen Online-Shop setzen. Wie in der Vorgängerstudie schon zu sehen war, wird EDI im Wesentlichen von großen Unternehmen genutzt (49 Prozent). Auffällig ist zudem, dass die vollautomatisierten Bestellungen von Maschine zu Maschine von 12 Prozent im Vorjahr auf heute 20 Prozent gestiegen sind. In Summe ist jedoch ein deutlicher Trend hin zu digitalen Vertriebskanälen zu erkennen.

Relevanz von Kunden- und Produktdaten im B2B-E-Commerce oft unterschätzt

Um die Unternehmenskunden langfristig erfolgreich über die verschiedenen Kanäle zu adressieren, ist im E-Commerce eine möglichst einheitliche Sicht auf den Kunden und eine hohe Qualität der Daten unumgänglich. Hierzu zählen auch die Daten aus dem Zahlungsverkehr, die häufig schon in digitaler und strukturierter Form vorliegen. Es überrascht, dass 41 Prozent der befragten Unternehmen diese Daten nicht weiter aufbereiten und verarbeiten. Hier verschenken die Unternehmen viel Potenzial, denn die bereits vorliegenden Daten bleiben völlig ungenutzt. Besonders die kleinen Händler haben hier noch Nachholbedarf (55 Prozent).

Interessant ist der Vergleich der Risikomanagementprozesse mit jenen im Endkundengeschäft. Dort sind Risikoprüfungen Standard. Im B2B-E-Commerce führen zwar schon 75 Prozent Risikoprüfungen durch, dabei nutzen aber 27 Prozent nur interne Daten, was unter anderem bei Neukunden schwierig ist. Insbesondere die größeren Unternehmen nutzen sowohl interne als auch externe Datenquellen bei der Risikoprüfung (54 Prozent), während bei den kleinen Akteuren sogar ein Drittel gar keine Prüfung durchführt.

Bonitätsprüfungen
Abbildung 2: Bonitätsprüfungen

Neben der Einbindung entsprechender Datenquellen bei dem einen oder anderen Unternehmen zeigt die Studie auch, dass lediglich 27 Prozent während einer Transaktionsabwicklung im Online-Shop die Zahlungsfähigkeit eines Kunden in Echtzeit ermitteln können (vgl. Abbildung 2). Ein Drittel prüft die Zahlungsfähigkeit nach Bestelleingang innerhalb der nächsten 24 Stunden. 37 Prozent sind auch zu einer späteren Prüfung nicht in der Lage. Dies könnte bei der erwarteten Zunahme der Verkäufe über den Online-Shop, insbesondere auch beim Verkauf an Neukunden, zu einer Steigerung der Zahlungsausfälle führen.

Strukturierte elektronische Rechnungsformate im B2B-E-Commerce auf dem Vormarsch

Ein besonderer Schwerpunkt der Studie lag im Bereich der Rechnungsabwicklung. Die digitale Rechnung ist inzwischen zum Standard geworden, 91 Prozent setzen auf elektronische Formate. Dabei greift der Großteil der Unternehmen leider nur auf bildhafte Formate wie PDF zurück. Diese haben den Nachteil, dass sie nicht direkt digital weiterverarbeitet werden können. Strukturierte Rechnungsformate wie XRechnung oder ZUGFerD können hingegen ohne „Krücken“ wie eine OCR-Texterkennung direkt von gängigen Buchführungs- oder ERP-Systemen erkannt und verarbeitet werden. Immerhin 21 Prozent der Unternehmen nutzen diese Daten bereits, wenn sie vom Rechnungssteller bereitgestellt werden, allerdings übermittelt nur jedes vierte Unternehmen strukturierte Rechnungsdaten. Dennoch: Hier liegt die Zukunft der Rechnungsverarbeitung und Unternehmen können hier noch hohe Optimierungspotenziale heben.

Bearbeitungsprozesse elektronischer Rechnungen
Abbildung 3: Bearbeitungsprozesse elektronischer Rechnungen

Großteil der Datenerfassung erfolgt im B2B-E-Commerce noch manuell

Wie analog viele Unternehmen in diesem Bereich noch agieren, zeigt Abbildung 3. Jedes dritte Unternehmen druckt elektronische Rechnungen zur Weiterverarbeitung aus und bearbeitet die Rechnung papierhaft weiter. 48 Prozent geben an, die Rechnungsdaten manuell oder überhaupt nicht im eigenen System zu erfassen. Allerdings gibt es hier deutliche Unterschiede zwischen großen und kleinen Unternehmen. Nur 26 Prozent der großen Akteure erfassen Daten per Hand, 70 Prozent versuchen in der Regel, die Rechnungsdaten der Papierrechnung automatisiert, z. B. durch Texterkennung, in ihre Systeme aufzunehmen. Bei einem Großteil der digitalen Eingangsrechnungen erfolgt die Datenerfassung also manuell, mit allen Fehlerpotenzialen, obwohl die Daten digital vorliegen – ein unerklärlicher Anachronismus. Hier ist noch enormes Verbesserungspotenzial vorhanden.

Fazit: Im B2B-E-Commerce schlummert noch viel ungenutztes Potenzial

Zusammenfassend lassen sich zwei Punkte feststellen. Zum einen verspielt der Großhandel viel Potenzial in Payment- und Finanzprozessen. Sehr häufig findet man noch viele manuelle Prozesse und wenig bis überhaupt keine Automatisierung. Das verursacht Erfassungsfehler und bindet Mitarbeiterkapazitäten, die an anderer Stelle sinnvoller einsetzbar wären. Zum anderen tut sich eine Schere zwischen kleinen und großen Unternehmen auf. Während große Unternehmen überwiegend auf durchgehende Digitalisierung setzen, tun sich kleine Unternehmen häufig schwer mit digitalen Prozessen. Sie werden in der Konsequenz weiter zurückfallen, denn: Der Großhandel der Zukunft wird digital sein.

 

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[1] ibi research (2021) Payment- und Finanzprozesse im B2B-E-Commerce.

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Holger Seidenschwarz | Research Director bei der ibi research an der Universität Regensburg GmbH

Ein Beitrag von:

Holger Seidenschwarz ist Research Director bei der ibi research an der Universität Regensburg GmbH. Das Institut forscht rund um die Digitalisierung der Finanzdienstleistungen und des Handels. Es berät Kunden aus der Privatwirtschaft und dem öffentlichen Sektor. Die Forschungs- und Beratungsschwerpunkte von Holger Seidenschwarz liegen in den Bereichen E-Commerce und Digitaler Handel, E Payment und E-Finance sowie der elektronischen Rechnungsabwicklung. Zu diesen Themenschwerpunkten tritt er regelmäßig als Referent auf Veranstaltungen auf und veröffentlicht Fachartikel und Studien.