Maverick Buying: Der Wilde Westen im Einkauf
E-Invoicing

Maverick Buying – Anarchie im Einkauf

| | Director Business Unit E-Invoicing/SAP&Web Prozesse, SEEBURGER
Maverick Buying – der wilde Westen im Beschaffungswesen

Wissen Sie, was man unter „Maverick Buying“ versteht? Diese Bezeichnung stammt tatsächlich aus dem wilden Westen. Namenspatron ist der texanische Rinderzüchter Samuel A. Maverick (1803 – 1870). Im Gegensatz zu den übrigen Züchtern seiner Zeit brandmarkte er seine Rinder nicht. Kälber ohne Brandzeichen werden seither auf Englisch „mavericks“ genannt.[1] Im heutigen  Sprachgebrauch hat sich der Begriff „Maverick“ auch für  Außenseiter, Rebellen und Non-Konformisten fest etabliert. Im Kontext „Einkauf“ beschreibt Maverick Buying also eine Art inoffiziellen Beschaffungsprozess, den Fachabteilungen aus unterschiedlichsten Gründen selbst in die Hand nehmen, obwohl er eigentlich von der zentralen Einkaufsabteilung durchgeführt werden sollte.

Finden Sie nicht auch, dass der Begriff „Maverick Buying“ ziemlich cool klingt? Sofort kommt einem der einsame Cowboy in den Sinn, frei und ungebunden, für den höchstens die Gesetze der Prairie gelten. Nun ist jedoch der Einkauf nicht der Wilde Westen, denn der Beschaffungsprozess ist ein komplexes Gefüge aus vielen Verhandlungen, Vereinbarungen, Sicherheitsmaßnahmen, Risikomanagement und Budgetvorgaben. Dieses anspruchsvolle Zusammenwirken wurde von den Verantwortlichen über lange Zeiträume und mit viel Aufwand und Einsatz etabliert – mit Sinn und Verstand zum Nutzen und Vorteil des Unternehmens optimiert.

Was sind die Ursachen für Maverick Buying?

Was also treibt einen Mitarbeiter einer beliebigen Fachabteilung dazu, den standardisierten Beschaffungsprozess in einem Unternehmen zu umgehen und eigenmächtig zu handeln – oft ohne Rücksicht auf Verluste? Steffen Eschinger vom Haufe Verlag hat einige Gründe zusammengestellt:

  • Die Fachkompetenz des Einkaufs wird unterschätzt.
  • Der Fachbereich ist nicht über Verträge mit Lieferanten informiert.
  • Die Bedarfsträger möchten gerne beim Lieferanten im Ansehen steigen.
  • Produkte von Dritten werden als hochwertiger eingestuft.
  • Die Bedingungen aus Rahmenverträgen werden als ungünstig angesehen, weil den Fachabteilungen der Überblick fehlt.
  • Es fehlen Anreize, Rahmenverträge einzuhalten.
  • Entscheidungen der Bedarfsträger orientierten sich ausschließlich am Einstandspreis, ggf. anfallende Folgekosten werden nicht berücksichtigt.
  • Die Interessenslagen zwischen Einkauf und Fachbereich sind unterschiedlich.
  • Umstrittene Kompetenzen und Machtspiele.
  • Lieferantenleistungsfähigkeit von Rahmenvertragslieferanten wird in Frage gestellt
  • Korruption und Vorteilsannahme.[2]

Wir haben aus jahrelangen Kundenprojekten die Erfahrung gewonnen, dass die zugrundeliegenden Intentionen der Mitarbeiter ganz unterschiedlich motiviert sein können, und daraus vier Formen des Maverick Buying abgeleitet.

Die vier Formen des Maverick Buying

  1. Naives Maverick Buying
    Der Mitarbeiter kennt den internen Beschaffungsprozess nicht. Er handelt spontan und unbewusst.
  2. Impulsives Maverick Buying
    Der Mitarbeiter missachtet den internen Beschaffungsprozess zwar bewusst, ist jedoch überzeugt, dass dem Unternehmen hierdurch kein Nachteil oder Schaden entstehen kann.
  3. Kalkuliertes Maverick Buying
    Beschaffungsprozess sowie Rahmenverträge mit den Lieferanten werden bewusst umgangen. Die Tatsache, dass dem Unternehmen hierdurch Nachteile oder gar Schaden entstehen kann, wird in Kauf genommen.
  4. Akutes Maverick Buying
    Der Beschaffungsprozess wird aus einer Notfallsituation heraus umgangen, beispielsweise zur Beschaffung dringend benötigter neuer Produkte bzw. Dienstleistungen, die sich im Einkaufsprozess noch nicht etabliert haben.
Die vier Formen des Maverick Buying
Abbildung 1: Die vier Formen des Maverick Buying

Die Auswirkungen von Maverick Buying

Diese vier Ausprägungen des Maverick Buying werden in vielen Unternehmen oftmals stillschweigend geduldet. So lassen sich in der Praxis  Maverick Buying-Quoten von über 25 %  des gesamten Einkaufvolumens finden.[3] Das heißt konkret:

  • Jede vierte Rechnung, die im Rahmen eines Beschaffungsprozesses erfolgt, geht nicht über den zentralen Einkauf und es liegt keine Bestellung im ERP-System vor.

Es ist offensichtlich, dass einem Unternehmen aus diesem Kaufverhalten – ganz gleich aus welcher Motivation heraus – eine ganze Reihe von Nachteilen entstehen. In seinem Artikel „Was ist Maverick Buying und welche Bedeutung hat es für den Einkauf?“ listet Peter Prütting einige davon auf, die wir hier teilweise ergänzt haben[4]:

  • Steigerung der Prozesskosten, da Wareneingang, Finanzabteilung und Einkauf unnötige Tätigkeiten leisten müssen.
  • Der Einkauf kann gekaufte Teile in den Lieferantengesprächen nicht berücksichtigen.
  • Durch den unsichtbaren Bedarf kann der Einkauf im Lieferantenmanagement nicht die passenden Lieferanten oder Rahmenverträge definieren.
  • Die Rechtssicherheit bei Reklamationen kann besonders bei Käufen im Ausland gefährdet sein, da die vertraglichen Grundlagen nicht professionell verhandelt und festgeschrieben wurden.
  • Hierdurch greift auch das Risikomanagement durch den Einkauf nicht.
  • Die hohe Anzahl an Lieferanten trägt ebenfalls zu einer Erhöhung des Verwaltungsaufwandes und somit der Prozesskosten bei.
  • Die Kostentransparenz insgesamt wird hierdurch stark gesenkt.

Hinzu kommen die nicht unerheblichen negativen Auswirkungen, die Maverick Buying auf die Preisgestaltung und Preispolitik eines Unternehmens haben kann. Denn eine der wichtigsten Eigenschaften eines guten Einkäufers ist Verhandlungsgeschick. So wurden die in den Rahmenverträgen mit Lieferanten festgelegten Konditionen in der Regel hart verhandelt und basieren beispielsweise auf fest definierten Abnahmemengen. Die Unterschiede zwischen verhandelten und nicht-verhandelten Preisen können massiv sein. Maverick Buying kann also für ein Unternehmen richtig teuer werden.

Wie kann man Maverick Buying entgegenwirken?

Nur verbindliche Regeln sowie ein IT-gestützter Beschaffungsprozess sorgen dafür, dass Bestellungen nicht mehr am Einkauf vorbeilaufen. Damit diese jedoch im Unternehmen etabliert und akzeptiert werden, ist es wichtig, die Einkaufsprozesse einfach, transparent und nachvollziehbar zu gestalten.

Aus unseren Erfahrungen haben sich folgende Maßnahmen zur Bekämpfung von Maverick Buying etabliert:

  1. Klare Kommunikation der Prozesse und Verantwortlichkeiten
    Hierbei sollten vielfältige Kommunikationskanäle wie z. B. Informationsveranstaltungen im Rahmen des Onboardings neuer Mitarbeiter, klar dokumentierte Arbeitsanweisungen für alle Mitarbeiter im Intranet oder E-Mail-Rundschreiben im Falle von Neuerungen oder Änderungen etc. genutzt werden, um die Einkaufsprozesse im Unternehmen an alle Mitarbeiter zu kommunizieren. Führungskräfte sind hier besonders gefragt, die Akzeptanz von Beschaffungsprozessen im Unternehmen durch zielgerichtete Kommunikation zu fördern.
  2. Konsequenzen des Maverick Buying klar und offen kommunizieren
    Es reicht jedoch nicht aus, den Mitarbeitern lediglich die Prozesse zu verdeutlichen. Um eine noch wirksamere Einhaltung zu erwirken, ist es wichtig, ihnen die Konsequenzen der Nichteinhaltung klar zu machen. In erster Linie sollte jedem Angestellten bewusst sein, wie sich sein eigenmächtiges Beschaffungsverhalten auf das Unternehmen auswirkt. Ferner muss klar kommuniziert werden, dass dieses Verhalten auch persönliche Konsequenzen für jeden Einzelnen nach sich ziehen kann – bis hin zu Abmahnung und fristlosen Kündigung des Arbeitsverhältnisses.
  3. Einfache und automatisierte Prozesse machen Maverick Buying unnötig
    Der beste Weg, Maverick Buying zu unterbinden ist, die Beschaffungsprozesse so einfach wie möglich zu strukturieren. Die Schaffung schlankerer Einkaufsprozesse durch die Digitalisierung der gesamten Purchase-to-Pay-Prozesskette involviert sämtliche Stationen:

    1. Bestellanforderungen
    2. Bestellungen
    3. Wareneingang
    4. Rechnung

Hierbei unterstützen der SEEBURGER Bestellanforderungs- und der Bestellfreigabeworkflow in Kombination mit der Purchase-to-Pay-Lösung optimal.

Die Vorteile der ganzheitlichen Digitalisierung der Purchase-to-Pay-Prozesskette liegen auf der Hand:

  • Kürzere Durchlaufzeiten von der Bestellanforderung bis zur Bezahlung
  • Sicherstellung der Einhaltung von Richtlinien und Kompetenzen
  • Gesamtüberblick über Beschaffungsvorgänge
  • Verbessertes Ausgabenmanagement
  • Weniger Fehlerquellen durch Reduzierung der manuellen Bearbeitung

Maverick Buying mit elektronischen Beschaffungslösungen von SEEBURGER entgegenwirken

SEEBURGER bietet elektronische Beschaffungslösungen, die Workflow-gestützt und direkt in SAP integriert sind. Damit werden die Bestellanforderungen und Bestellungen digital erfasst, geprüft, freigegeben und weiterverarbeitet. So können Rechnungen mit Bestellbezug und vorhandenen Wareneingang bei positiver Rechnungsprüfung automatisiert gebucht werden (Dunkelbuchung). Das spart viel Zeit, da nur im Ausnahmefall ein Eingreifen nötig ist. Somit wird der gesamte Purchase-to-Pay-Prozess deutlich effizienter und schneller.

Möchten Sie die Wild-West-Mentalität in Ihrem Unternehmen zügeln? Mit der Digitalisierung des Purchase-to-Pay-Prozesses hat Maverick Buying keine Chance.


[1] Vgl. Wikipedia: Samuel A. Maverick (abgerufen am 18.11.2021)

[2] Vgl. Haufe Verlag – Maverick Buying: Compliance-Verstoß im Beschaffungsprozess / 2 Ursachen für Maverick Buying (abgerufen am 18.11.2021)

[3] Vgl. Mittelstand Heute – So einfach setzen Sie standardisierte Einkaufsprozesse um (abgerufen am 18.11.2021)

[4] Vgl. Windmühlenbauer – Was ist Maverick-Buying und welche Bedeutung hat es für den Einkauf? (abgerufen am 18.11.2021)

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Rolf Holicki

Ein Beitrag von:

Rolf Holicki, Director Business Unit E-Invoicing, SAP&Web Prozesse, ist verantwortlich für die SAP-/WEB-Applikationen und Digitalisierungsexperte. Er hat mehr als 25 Jahre Erfahrungen in den Bereichen E-Invoicing, SAP, Workflow und Geschäftsprozessautomatisierung. Rolf Holicki ist seit 2005 bei SEEBURGER.