Mehrwertsteuer-Digitalpaket: Die Auswirkungen der Modernisierung
E-Invoicing

Die Modernisierung der Mehrwertsteuerregeln zum grenzüberschreitenden E-Commerce in der EU

| | Steuerberater - Peters, Schönberger & Partner mbB
Mehrwertsteuer-Digitalpaket – Die Auswirkungen auf den EU-weiten E-Commerce

Im Zuge des sog. Mehrwertsteuer-Digitalpakets wurde das Umsatzsteuergesetz zum 01.07.2021 massiv modernisiert. Betroffen sind insbesondere grenzüberschreitende Transaktionen im B2C-Bereich. Dabei handelt es sich in der Regel um Massenverfahren. Insofern mussten die betroffenen Leistungsbeziehungen und die damit verbundenen Prozesse rechtlich und technisch neu bewertet werden.

Der nachfolgende Beitrag setzt sich mit den Folgen des Mehrwertsteuer-Digitalpakets für Betreiber elektronischer Marktplätze auseinander. Denn das erste Quartal seit Einführung der Neuregelungen ist nun verstrichen. Es ist daher an der Zeit, die getroffene rechtliche Einordnung und die umgesetzten technischen Maßnahmen auf den Prüfstand zu stellen.

Meldungen über ausländische Händler und Dienstleister, die ihren steuerlichen Verpflichtungen im Inland nicht nachkommen, haben schon seit Längerem den Fokus der Finanzverwaltung und der Gesetzgebung auf sich gezogen. Bereits mit Wirkung zum 01.01.2019 wurden Betreiber von elektronischen Marktplätzen für nicht entrichtete Umsatzsteuer ihrer Händler nach § 25e UStG in Haftung genommen. Von der Haftung konnten sich die Betreiber durch Erfüllung umfangreicher Aufzeichnungs- und Meldepflichten im Sinne von § 22f UStG exkulpieren. Hierfür musste die technische Infrastruktur geschaffen werden, um die erforderlichen Informationen abfragen und speichern zu können. Zudem mussten Überwachungs- und Meldeprozesse eingerichtet werden, um einer Haftung für die Steuerschulden des Onlinehändlers entgehen zu können.

Fiktive Lieferketten

Mit Wirkung zum 01.07.2021 wurde nun § 3 Abs. 3a UStG eingeführt. Danach wird in bestimmten Fällen ein Reihengeschäft zwischen Onlinehändler, Marktplatzbetreiber und Endkunde fingiert. Im Rahmen des fiktiven Reihengeschäfts wird der Marktplatzbetreiber so behandelt, als hätte er den Gegenstand der Lieferung selbst erhalten und anschließend selbst an den Endkunden geliefert. Der Marktplatzbetreiber, der eigentlich nur die technische Infrastruktur zum Abschluss des Geschäfts zwischen Verkäufer und Käufer zur Verfügung stellt, wird dadurch selbst in die Lieferkette eingebunden. Die Vorschrift greift, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Warenlieferungen werden über eine elektronische Schnittstelle abgewickelt
  • Die Warenbewegung beginnt und endet im Gemeinschaftsgebiet
  • Der Händler (Verkäufer) ist nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässig
  • Der Empfänger der Ware ist nicht Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes

Als elektronische Schnittstelle gilt gem. § 3 Abs. 3a Satz 3 UStG ein elektronischer Marktplatz, eine elektronische Plattform, ein elektronisches Portal oder ähnliche technische Medien.

Die Warenbewegung beginnt und endet innerhalb des Gemeinschaftsgebiets, wenn sich der Verkaufsgegenstand zu Beginn und zum Ende der Beförderung oder Versendung in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union befindet. Der Gegenstand kann dabei innerhalb desselben Mitgliedstaats oder von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat befördert oder versendet werden.

Ein Händler gilt nicht als im Gemeinschaftsgebiet ansässig, wenn der Händler sein Unternehmen nicht innerhalb der Europäischen Union betreibt. D. h., die zentralen Entscheidungen zur Verwaltung des Unternehmens werden nicht innerhalb der Europäischen Union vorgenommen.

Nichtunternehmer im Sinne der Vorschrift sind in der Regel Privatpersonen, die selbst keine unternehmerische Tätigkeit im Sinne des Umsatzsteuergesetzes ausüben.

Betroffen sind daher insbesondere Fälle, in denen im Drittland ansässige Händler Waren, die innerhalb der EU lagern oder beschafft werden, an Privatpersonen im europäischen In- oder Ausland liefern.

Keine Umsatzsteuer ohne IT

Die Fiktion des Reihengeschäfts führt dazu, dass der Händler seine Rechnung an den Marktplatzbetreiber stellen muss. Der Marktplatzbetreiber muss die Lieferung des Gegenstands wiederum an den Endkunden abrechnen. Insbesondere dürfen keine Rechnungen über Vermittlungsprovisionen ausgestellt werden. Das bedeutet, der Marktplatzbetreiber muss die umsatzsteuerlich relevanten Informationen kennen, die zur korrekten Abrechnung der Warenlieferung erforderlich sind. Dabei handelt es sich insbesondere um folgende Informationen:

  • Lieferadresse
  • Verkaufspreis
  • Zeitpunkt der Lieferung
  • Anwendbarer Steuersatz im Land des Kunden

Der Marktplatzbetreiber muss daher effektiv die Lieferung des Verkäufers im Land des Kunden versteuern. Hierfür muss er sich im jeweiligen Land umsatzsteuerlich registrieren und (je nach Land) inhaltlich korrekte Rechnungen ausstellen. Neben den oben genannten Details zur Warenlieferung können dabei weitere umsatzsteuerlich relevante Rechnungspflichtangaben erforderlich sein. Um diese Anforderungen erfüllen zu können, müssen zwangsweise IT-gestützte Prozesse eingerichtet werden.

Die Programmierung des Marktplatzes muss unterscheiden können, ob es sich um einen Fall handelt, in dem der Marktplatzbetreiber fiktiv in die Lieferkette eingebunden ist, oder ob es sich um einen (Alt-)Fall handelt, in dem der Marktplatzbetreiber lediglich für die Umsatzsteuer des Händlers haftet. Dies wirkt sich unmittelbar auf die Art der Leistung, den Leistungsort und den Abrechnungsprozess aus. Hierfür müssen unterschiedliche Informationen gesammelt und verarbeitet werden. Aufgrund der Vielzahl der Transaktionen, die in der Regel über elektronische Marktplätze abgewickelt werden, sind vollautomatisierte IT-gesteuerte Prozesse unerlässlich.

Handlungsbedarf

Nachdem die Vorschrift zu fiktiven Reihengeschäften im Rahmen von Lieferungen über Online-Marktplätze nun seit einem Quartal anzuwenden ist, ist es nun an der Zeit zu prüfen, ob die Systeme die Transaktionen umsatzsteuerlich korrekt abgebildet haben und ob die umsatzsteuerlichen Pflichten erfüllt worden sind. Peters, Schönberger & Partner verfügt über eine langjährige und außergewöhnliche Expertise im nationalen und internationalen Umsatzsteuerrecht, insbesondere an der Stelle zwischen IT und Steuerrecht. Denn die Auswertung technischer Daten und deren materiell rechtliche Würdigung ist heutzutage unerlässlich, um die Anforderungen grenzüberschreitender E-Commerce-Transaktionen erfüllen zu können.

Die Business Integration Services von SEEBURGER für den Bereich globales E-Invoicing ermöglichen es, eine durchgängige Datenlogistik sicherzustellen. Denn nur ein reibungsloser Datenfluss zwischen Verkäufer, Marktplatzbetreiber und Kunden stellt sicher, dass allen Beteiligten die Informationen zur Verfügung stehen, die erforderlich sind, um ihre umsatzsteuerlichen Pflichten erfüllen zu können. Die intelligente Verbindung von IT-Systemen ist daher der Grundstock zur rechtlichen Absicherung. Zudem werden dadurch auch Kapazitäten freigesetzt, welche wiederum genutzt werden können, um die Digitalisierung innerhalb des Unternehmens weiter voranzutreiben.

Digitalisierung in allen Bereichen

Die zum 01.01.2019 und zum 01.07.2021 in Kraft getretenen Vorschriften zum grenzüberschreitenden E-Commerce zielen in erster Linie auf den B2C-Warenhandel über elektronische Marktplätze ab. Die Digitalisierung schreitet aber auch in klassischen Industriezweigen weiter voran. In Deutschland ist zu beobachten, dass auch immer mehr B2B-Plattformen aus dem Boden sprießen. Bereits im Jahre 2018 gaben rund 67 Prozent der deutschen Industrieunternehmen und industrienahen Dienstleister an, elektronische Plattformen zu nutzen. In diesem Zusammenhang ist meines Erachtens zu erwarten, dass der bereits zum 01.01.2015 eingeführte § 3 Abs. 11a UStG künftig erheblich an Bedeutung gewinnen wird. Die Vorschrift betrifft Konstellationen, in denen sonstige Leistungen über elektronische Schnittstellen ausgeführt werden. Ähnlich wie § 3 Abs. 3a UStG, der eine Lieferkette fingiert, fingiert § 3 Abs. 11a UStG eine Dienstleistungskommission. Folglich wird auch der Plattformbetreiber in die Leistungskette eingebunden. Die deutsche Umsetzung entspricht jedoch nicht den unionsrechtlichen Vorgaben des Art. 9a EU-VO 282/2011. Daher dürfte es meines Erachtens nur eine Frage der Zeit sein, bis sich die nationalen Gerichte mit der Vorschrift auseinandersetzen werden. Betreiber von B2B-Plattformen sollten daher ihre Prozesse rechtzeitig auf den Prüfstand stellen. Mit den technischen und rechtlichen Herausforderungen setzen wir uns ein einem weiteren Blog-Beitrag auseinander.

Haben Sie Fragen oder Anmerkungen?

Wir freuen uns hier über Ihre Nachricht.

Teilen Sie diesen Beitrag, wählen Sie Ihre Plattform!

Twitter
Ferdinand Kandlhofer

Ein Beitrag von:

Ferdinand Kandlhofer ist Steuerbearter bei der interdisziplinären Kanzlei Peters, Schönberger & Partner. Ferdinand Kandlhofer berät größere Konzerne und mittelständische Unternehmen im nationalen und internationalen Umsatzsteuerrecht. Ein besonderer Fokus liegt dabei an der steuerrechtlichen Beratung an der Schnittstelle zur IT.