✅ Das brasilianische Freigabemodell für elektronische Rechnungen
E-Invoicing

Das brasilianische Freigabe-Modell für elektronische Rechnungen

| | Produktmanager Softwareanwendungen/Dienstleistungen elektronischer Geschäftsdatenaustausch, SEEBURGER
Das brasilianische Freigabe-Modell für elektronische Rechnungen

Brasilien war einer der Vorreiter in Sachen E-Invoicing in Lateinamerika – ja sogar weltweit -, da das Land bereits 2005 ein Total-Clearance-Modell für E-Invoicing eingeführt hat. In Brasilien müssen Lieferanten elektronische Rechnungen an eine „ok-to-issue“-Clearance-Plattform der Steuerbehörden übermitteln, bevor sie eine Rechnung an einen Kunden ausstellen. Obwohl die brasilianischen Clearingsysteme für elektronische Rechnungen relativ ausgereift und stabil sind, gelten sowohl die Steuervorschriften als auch der Clearing-Prozess für elektronische Rechnungen immer noch als die komplexesten in der Welt der Continuous Transaction Controls (CTC).

So komplex ist E-Invoicing in Brasilien

1) Es gibt verschiedene Arten elektronischer Rechnungen, und die Anforderungen an Inhalt und digitale Signaturen variieren je nach Region

Je nachdem, ob es sich um Waren, Dienstleistungen, Transport, Frachtdienste oder Strom handelt, sind unterschiedliche Arten von elektronischen Rechnungen erforderlich:

  • Waren (NF-e)
  • Dienstleistungen (NFS-e)
  • Transportdienstleistungen (CT-e)
  • Fracht (MDF-e), SPED, REINF
  • Stromversorgung (NF3e)

Für bestimmte Branchen sind nicht nur spezifische XML-Formate erforderlich, die alle ihre eigenen Anforderungen an die Informationen haben, die sie enthalten müssen, sondern es sind auch mehrere Parteien involviert, bevor die elektronische Rechnung freigegeben werden kann.

Bevor eine elektronische Rechnung von dem für den regionalen Bereich des Lieferanten zuständigen Finanzamt autorisiert werden kann, muss der Lieferant die Rechnung elektronisch signieren. Dazu ist ein digitales Zertifikat erforderlich, das von staatlich akkreditierten lokalen brasilianischen Zertifizierungsstellen bereitgestellt wird.

All dies bedeutet, dass der Steuerzahler am Ende eine riesige Menge an Daten senden muss, um die Steuervorschriften einzuhalten.

2) Regelungen gelten manchmal bundesweit, manchmal auf Landesebene, manchmal auf Gemeindeebene

Brasilien ist eine Föderation, die aus 26 Bundesstaaten und einem Bundesdistrikt besteht. Diese werden von insgesamt dreizehn verschiedenen ʽState Tax Officesʼ (PT: „Secretaria da Fazenda Estadual – SEFAZ“) abgedeckt. Jedes SEFAZ ist für die Bereitstellung von E-Invoicing Web Services (WS) für registrierte Steuerzahler im jeweiligen Bundesstaat unter ihrer Zuständigkeit verantwortlich. Einige SEFAZ nutzen die gleiche E-Invoicing-Plattform, während andere eine eigene Plattform haben.  Wer die jüngste Implementierung von B2G E-Invoicing in Deutschland verfolgt hat, wird einige Parallelen in der Komplexität erkennen, die durch die auf Länderebene implementierten Vorschriften und Portale verursacht wird.

Um die Vielfalt zu veranschaulichen, hier ein paar Beispiele:

  • In der Regel ist eine NF-e die e-Rechnung, die bei Transaktionen mit physischen Waren ausgestellt wird. Diese Transaktionen werden auf staatlicher Ebene besteuert. Die NF-e unterliegt im ganzen Land dem gleichen Regelwerk, unabhängig von der Gemeinde oder dem Bundesland, aus dem die Lieferung stammt bzw. für das sie bestimmt ist.
  • Eine NFS-e ist die e-Rechnung, die bei Transaktionen mit Dienstleistungen ausgestellt wird. Diese Transaktionen werden auf der Ebene der rund 5500 Gemeinden und Städte in Brasilien besteuert. Allerdings variieren die Anforderungen an die NFS-e auch von Gemeinde zu Gemeinde. Das macht es zu einer echten Herausforderung bei elektronischen Rechnungen für Dienstleistungen, die gesetzlichen und steuerlichen Anforderungen zu erfüllen, die das Portal der jeweiligen regionalen Steuerbehörde vorgibt. Der automatisierte Versand von Dienstleistungsrechnungen erfordert eine Webservice-Integration. Lieferanten müssen auch vorläufige Rechnungen (Provisional Receipt of Service oder RPS) ausstellen (Pt.: Recibo Provisório de Serviço). Einige Kommunen verlangen, dass die RPS elektronisch signiert wird (z. B. Sao Paulo). Bei einigen Kommunen werden digitale Zertifikate bei der Authentifizierung für den Webservice (z. B. Rio de Janeiro) oder auch nur für den Zugriff auf das kommunale Portal verwendet.
  • Sobald der RPS genehmigt ist, muss er in die NFS-e-Rechnung umgewandelt werden. Es gilt keine Zeit zu verlieren, da die gesetzlichen Fristen von Gemeinde zu Gemeinde unterschiedlich sind und die nicht fristgerechte Erstellung der NFS-e ein Bußgeld nach sich ziehen kann.

3) PDF-Versionen von XML-e-Rechnungen sind ebenfalls erforderlich, und dafür gibt es spezifische Vorschriften.

Nicht nur die E-Invoice folgt einer bestimmten, gesetzlich vorgeschriebenen XML-Struktur, sondern auch die PDF-Versionen.

Wenn Waren unterwegs sind, müssen sie von einer menschenlesbaren PDF-Version der XML-E-Rechnung begleitet werden. Es gibt verschiedene, spezifische Strukturen, z. B.

  • DANFE für NF-e,
  • DACTE für CT-e und
  • DANF3E für NF3e.

4) E-Rechnungen müssen elektronisch archiviert werden.

  • Nach brasilianischem Steuerrecht müssen Rechnungen 5 Jahre lang elektronisch archiviert werden.
  • Diese müssen SEFAZ-autorisierte, signierte XML-Dokumente sein.
  • Außerdem muss das zugehörige DANFE (etc.) im PDF-Format gespeichert werden, falls es Probleme mit der Rechnung selbst gibt.

5) Wenn die Rechnung schließlich ausgestellt ist, muss der Käufer sie validieren.

Sobald der Käufer die Rechnung erhalten hat, muss er sie validieren, bevor sie als ein Dokument anerkannt wird, das steuerlich abgeschrieben werden kann. Zusätzlich zur Validierung der Rechnung müssen Käufer in bestimmten Branchen auch eine Bestätigung ausstellen, die als Manifestação do Destinatário (dt.: Empfangsbestätigung) bekannt ist und in der der Käufer angibt, ob die Rechnung das abdeckt, was geliefert wurde. Diese geht nur an die Steuerbehörden, nicht an den Absender.

Mit über 30 Jahren Erfahrung im Austausch elektronischer Daten unterstützt SEEBURGER E-Invoicing-Compliance in mehr als 55 Ländern weltweit.

Haben Sie Fragen oder Anmerkungen?

Wir freuen uns hier über Ihre Nachricht.

Teilen Sie diesen Beitrag, wählen Sie Ihre Plattform!

Twitter
Gerrit Onken

Ein Beitrag von:

Gerrit Onken ist seit 2010 bei SEEBURGER als Produktmanager für Softwareanwendungen und für den Bereich Elektronischer Datenaustausch (EDI) tätig. Seine Schwerpunkte sind Lösungen für SAP, elektronische Rechnungsstellung (E-Invoicing) und die Digitalisierung von geschäftlichen und technischen Prozessen für global agierende Kunden. Ursprünglich gelernter Bankkaufmann, absolvierte Gerrit Onken ein Studium der Betriebswirtschaftslehre mit den Schwerpunkten Industriemanagement und Wirtschaftsinformatik. Nach seiner Tätigkeit in der Finanzbranche arbeitete er von 2004 bis 2010 als Manager und Projektleiter bei einer der fünf größten Unternehmensberatungen mit internationalen BPOs in der Banken- und Automobilbranche.